Die Rechtsstreitigkeiten um Diskriminierungen durch Kirchen und ihre Institutionen in Arbeitsverhältnissen und bei Bewerbungen gehen weiter. Ein aktueller Fall in Pforzheim zeigt, wie sehr sich katholische Arbeitgeber vor geltendem Recht scheuen.
Nach dem Verfahren Egenberger gegen Diakonie Berlin (Diskriminierung bei der Einstellung wegen fehlender Religionszugehörigkeit), das von Rechtsanwalt Dr. Bertelsmann beim Europäischen Gerichtshof1 und dem Bundesarbeitsgericht2 gewonnen wurde, und dem Verfahren um die diskriminierende Kündigung des Chefarztes eines katholischen Krankenhauses (wegen Wiederverheiratung)3 ging es nun um eine weitere Problematik:
Darf die katholische Kirche die Einstellung einer Bewerberin ablehnen, wenn diese früher einmal aus der katholischen Kirche ausgetreten ist? Oder ist dies eine Diskriminierung?
Hintergrund
Die Arbeitnehmerin Frau S. bewarb sich auf eine ausgeschriebene Stelle hin beim Sekretariat des katholischen Hochschulverbandes in Pforzheim. Die Einstellungsgespräche liefen gut, ihr wurde die Teilzeitstelle zugesagt. Später hatte sie allerdings noch einen Personalfragebogen auszufüllen, bei diesem kreuzte sie wahrheitsgemäß auf die Frage, ob sie aus der katholischen Kirche ausgetreten sei, "ja" an. Daraufhin wurde ihr von der zuständigen Erzdiözese Freiburg mitgeteilt, dass unter diesen Umständen ein Arbeitsverhältnis nicht abgeschlossen werden würde.
Die Bewerberin, die früher katholisch war, dann jedoch wegen ihrer Kinder in eine rein evangelische Gemeinde umzog und dort zur evangelischen Kirche übertrat, reichte Klage beim Arbeitsgericht Pforzheim ein mit der Begründung, sie sei bei der Einstellung wegen fehlender bzw. anderweitiger Religionszugehörigkeit diskriminiert worden.
Die Klägerin wandte sich an das Büro zur Umsetzung von Gleichbehandlung e. V. (BUG) in Berlin. Der Verein wurde daraufhin als Beistand tätig, zudem wurde die Klägerin durch Rechtsanwalt Dr. Klaus Bertelsmann aus Hamburg vertreten, der bereits etliche Diskriminierungsverfahren auch vor dem EuGH geführt hat.
Die Erzdiözese sah die Nichteinstellung der Klägerin als gerechtfertigt an und verwies auf Art. 3 IV der Grundordnung der katholischen Kirche aus dem Jahr 2015, der eine Einstellung von Bewerbern untersagte, die sich kirchenfeindlich betätigten oder die aus der katholischen Kirche ausgetreten waren (nebenbei: die evangelische Kirche agiert etwas friedlicher, mit dem Unterschied, dass nicht eingestellt wird, wer aus der evangelischen Kirche ausgetreten ist, ohne gleichzeitig in eine andere christliche Kirche einzutreten).
Ziel des Verfahrens beim Arbeitsgericht war, die nach Auffassung der Klägerin und ihrer VertreterInnen bestehende Rechtswidrigkeit dieser Regelung gerichtlich feststellen zu lassen.
Das Ergebnis
In einem Verfahren um Religionsdiskriminierung ist mit Beschluss vom 22.1.2019 kurz vor dem zweiten Verhandlungstermin beim Arbeitsgericht Pforzheim4 ein Vergleich geschlossen worden. Der Inhalt des Vergleichs: Die beklagte Erzdiözese Freiburg zahlt einen Betrag von 9.000 Euro netto als Schadensersatz/Entschädigung nach § 15 AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz), also knapp sieben Bruttomonatsentgelte.
RA Bertelsmann sagte dazu: "Dieser Betrag ist im Vergleich zu anderen Diskriminierungsverfahren relativ hoch: die Kirche scheute anscheinend massiv ein inhaltliches Urteil des Gerichts – wie der Teufel das Weihwasser. Sie fürchtete wohl, dass das kirchliche Recht auch in diesem Punkt für rechtswidrig erklärt werden könnte."
Ein Urteil mit Begründung des Gerichts konnte leider von Seiten der Klägerin nicht erzwungen werden, da die beklagte Erzdiözese Freiburg die Forderungen der Klägerin voll erfüllte und für den Fall, dass kein Vergleich zustande kommen würde, ein Anerkenntnis der Forderungen beim Gericht abgegeben hätte – dann wäre auch keine Begründung des Gerichts notwendig oder möglich gewesen.
Im Ergebnis ist das eigentliche Ziel des Verfahrens nicht erreicht worden, nämlich die Klärung der Rechtswidrigkeit des Verhaltens, bei Einstellungen Personen abzulehnen, die aus der Kirche ausgetreten sind. Für die Klägerin selbst ist das Ergebnis finanziell positiv, besonders wichtig auch für künftige Fälle ist aber die Erfahrung, dass die katholische Kirche mit allen Mitteln versucht, eine Klärung solcher Angelegenheiten zu vermeiden.
EuGH Urteil vom 17.4.2018, Rs C-414/16 (Egenberger gegen Diakonie Berlin) ↩︎
EuGH Urteil vom 11.9.2018, Rs C-68/17 (IR gegen JQ) ↩︎
BAG Urteil vom 24.10.2018, 8 AZR 501/14 (Egenberger) ↩︎
Az. 5 Ca 283/18 ↩︎
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